Dienstag, 20. März 2012

2012 - Alles wird gut … ?

Dokumentation über die Ängste vieler Menschen vor einem Weltuntergang

Ziemlich am Anfang dieser Dokumentation sprechen mir gleich mehrere Personen aus der Seele: Es sei ein Risiko, sagt einer, sich andauernd und zu intensiv in Szenarien hineinzudenken, wie diese Welt möglicherweise einst untergehen werde. Stimmt, denn wenn man sich andauernd mit pessimistischen Schreckensbildern konfrontiert, bleibt dies kaum ohne Wirkung.
Der Film setzt sich kritisch, aber fair mit nachvollziehbaren wie auch gänzlich unbegründeten Zukunftsängsten auseinander.

Zugegeben, als mir die ersten Nibiru-Videos vor 3 oder 4 Jahren unter die Finger kamen, war ich für kurze Zeit selbst verunsichert. Manches schien zusammen zu passen in den Thesen derer, die sich selbst spontan zu Endzeit-Experten erhoben hatten. Doch wir verfügen alle über das notwendige Instrumentarium, nicht in jede manipulative Marketingfalle zu tappen – einen kritischen Verstand. Wer sich selbst informiert und dabei bewusst über den medialen Tellerrand der verkäuflichen Panikmache hinausblickt, hat gute Chancen, der Verdummung zu entgehen.

Zweifelsohne sind wenigen globalen Ereignisse vorstellbar, die tatsächlich innerhalb der nächsten Jahre eine massive Veränderung unserer Zivilisation bewirken könnten – wenn auch nicht unbedingt 2012.

Wie geht man damit um? Einige Menschen verlieren aus Angst die Orientierung: planlos, hektisch wandern sie aus, kaufen sich Waffen und ‘drehen am Rad’. Andere hoffen auf Veränderung und entwickeln ein neues Lebenskonzept, um sich bestmöglich vorzubereiten.
Entscheidend ist meiner Meinung nach, dass lebensverändernde Weichenstellungen gründlich durchdacht sind und aus den richtigen Gründen erfolgen – Angst ist sicher kein guter Ratgeber.

Bezüglich einer pragmatischen Vorsorge wird im Film die Webseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft genannt, die konkrete Ratschläge zur Krisenvorsorge bereithalte. Man muss schon gezielt suchen (z.B. nach Stichworten wie ‘Notfallvorsorge’), bis man auf ernaehrungsvorsorge.de geleitet wird. Dort wird nicht um den Brei geredet:

“Volle Regale … und ein vielfältiges Angebot an Nahrungsmitteln sind für uns … heute eine Selbstverständlichkeit. Über mögliche Versorgungsengpässe macht sich kaum noch jemand Gedanken. Auf eine private Vorratshaltung wird vor allem in den städtischen Haushalten in der Regel verzichtet.

Dabei gibt es … zahlreiche friedenszeitliche Krisensituationen, die zu einer Verknappung von Lebensmitteln und damit zu Versorgungsengpässen führen können. Hierzu zählen z.B. Naturkatastrophen (z.B. Hochwasser), Tierseuchen (z.B. MKS) oder schwere Unglücksfälle in großtechnischen Anlagen

Es ist wohl so, dass die meisten Deutschen sich darauf verlassen, dass ‘schon nichts passiert’ oder, falls doch, dass man von staatlichen Maßnahmen zur Überbrückung von Versorgungsengpässen profitiert. Schließlich zahlen wir doch Steuern…

Dagegen zu argumentieren scheint überflüssig. Warum sollte ein vernünftiges Maß an persönlicher Vorsorge (z.B. Trinkwasser, ein Notvorrat haltbarer Nahrungsmittel, Leuchtmittel usw.) unangebracht sein? Vorbereitet sein kann nicht nur nicht schaden – es beruhigt auch. Daran vermag ich nichts Schlechtes zu entdecken, ganz im Gegenteil…

Unterhaltsamer als die behördlichen Tipps sind die (kostenlos abrufbaren) Romane von Eva Marbach; sie vermitteln sicherlich wertvolle Anregungen (von denen manche allerdings nicht mal eben an einem Nachmittag realisiert werden können). Die Story z.B. von PeakOil) ist fiktional, aber nicht unbedingt an den Haaren herbeigezogen…

 

Alles wird gut

 

Woher kommt die Angst?

Weshalb auch und gerade Leute, die sich als ‘Eingeweihte’ betrachten und für ‘wissend’ halten, sich der ‘Lust am Schrecken’ hingeben und dabei hemmungslos alles verbiegen, was ihnen unter die Finger kommt, wird ein Rätsel für mich bleiben.
„2012“ war und ist seit Jahren für viele ein Synonym für den sicheren Weltuntergang.  Speziell der 21.Dezember dieses Jahres inspiriert , Verschwörungs- und Untergangstheoretiker jedweder Couleur zur Vorhersage unterschiedlicher, stets globaler Katastrophen – vom Magnetfeldkollaps über Sonnenstürme und Polsprünge bis hin zur Alien-Invasion (EvD hat den Koran für sich entdeckt). Daneben finden sich auch Esoteriker und spirituell Interessierte, für die eine Endzeit aus religiösen Gründen unmittelbar bevorsteht.

Die Kernaussage – der angebliche Weltuntergang in naher Zukunft, angereichert mit den verschiedensten Thesen und Spekulationen – wurde im Internet und einigen Buchverlag gezielt verbreitet. Ein Heer von Trittbrettfahren erkannte seine Chance und schnappte mit immer abenteuerlicheren Spekulationen ein Stück vom Kuchen. Dass nahezu alle 2012-Endzeitszenarien widerlegbar sind, stellt dabei augenscheinlich kein Hindernis dar.

Kampf der Titelzeilen um ein altes Artefakt

Inzwischen springt sogar die 'etablierte Presse' bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf das Thema auf. So teilte WELT online, die ich ‘eigentlich’ für relativ seriös halte, der Welt vor einigen Monaten mit (25.11.2011):

“Zweite Maya-Tafel prophezeit Apokalypse für 2012”
Die Maya-Steintafel aus Tortuguero soll angeblich das Ende der Welt für den 21. Dezember 2012 vorhersagen. Anscheinend gibt es eine zweite Inschrift ähnlichen Inhalts, deren Existenz das archäologische Institut Mexikos bestätigt habe.

Auf haarsträubende Weise griffen weitere Nachrichtenblätter diese Meldung auf (ein Beispiel von vielen: Geht 2012 die Welt unter? (HNA.de v. 29.11.2011).

Nur wenige dieser Texte bieten verwertbare Informationen bzw. Prognosen über real bevorstehende Ereignisse.

In Bezug auf das o.a. Artefakt, die Steintafel aus Tortuguero  erfährt man nebenbei, dass die o.a. Inschrift bereits vor Jahren entdeckt und längst eingehend untersucht wurde.
Die zugehörige
Medienkritik liefert der Astronom und Blogger Florian Freistetter in gewohnt treffender Weise:

"Es fällt vielen Medien anscheinend verdammt schwer, solch absurden Überschriften zu widerstehen, wenn es um den Weltuntergang geht. Dass sie mit der eigentlichen Meldung nichts zu tun haben, interessiert da anscheinend keinen. Hauptsache schön spektakulär, mit einer ordentlichen Portion Angst und Panik."

Der Wettlauf um Einschaltquoten und Marktanteile rechtfertigt es offensichtlich, Ängste und Unruhe zu jedem Thema zu schüren, das gerade im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung liegt. Doomsday sells.

 

Eine alte Inschrift - [k]ein Grund zur Aufregung?

Die allgemeine Unruhe wegen historischen Inschriften verstehe ich nicht:
Angenommen, irgendwo auf einer Reihe alter Tafeln und Monumente stünde explizit geschrieben, dass an einem bestimmten Tag in naher Zukunft die Welt untergehe…
NA UND?
Seit wann ist der Mayakalender das Maß aller Dinge für sichere Zukunftsprognosen?

Wenn ein 400m dicker Asteroid relativ nah (näher als der Mond) an der Erde vorbeirauscht und dies von NASA & Co. vorhergesagt wurde, dann kann ich eine gewisse Nervosität gut nachvollziehen - auch in der etablierten Medienlandschaft. Doch worin besteht die Qualifikation des Maya-Volkes oder meinetwegen Nostradamus, Vorhersagen über die Zukunft der Menschheit zu treffen?

Experten wie beispielsweise der Altamerikanist David Stuartie klären auf, weshalb die 'zweite Inschrift' im Hinblick auf ein Ende der Welt wenig zu bieten hat:

  • Es gebe keinen Grund, weshalb sich das genannte Datum nicht auch auf ein historisches Datum beziehen könnte, jedenfalls fehle der Verweis auf die Zukunft.
  • Die Maya selbst haben wohl nie von einem bevorstehenden Ende der Welt gesprochen, dies hätte kaum zu ihrem zyklischen Zeitverständnis gepasst: Für sie endet am 21. Dezember 2012 ein bedeutender Kalenderzyklus - und ein weiterer Zyklus beginnt (→ "Die Maya wussten nichts von einem Ende der Welt", 3sat.de)

    Urheber der heute so populären Endzeitvisionen waren also nicht die Maya, wie Freistetter schon 2009 dargelegt hat (→ "Was sagen eigentlich die Maya zum Weltuntergang 2012?).
    Wie viele Fachleute stellt er klar fest: "Die Maya haben für das Jahr 2012 keinen Weltuntergang vorhergesehen!"
Eine 'Glaubensfrage'

Dr. C.J. Calleman stellt die Bedeutung der 'ersten' Inschrift hat in seiner Abhandlung “Das Tortuguero-Monument” sinngemäß wie folgt dar:

1996 begannen Forscher damit, das Denkmal 6 in Tortuguero (bei Palenque) zu entschlüsseln. Zum ersten Mal wurde eine Inschrift gefunden, die sich darauf zu beziehen schien, was am 'Enddatum' geschehen würde, jedenfalls aus der Sicht eines Mayakönigs um das Jahr 670.
Der Text dieser Inschrift, i
ns Deutsche übersetzt: „Der Dreizehnte Baktun wird (am) Vier Ajaw enden, der Dritte von Uniiw (K`ank` in). ? wird erscheinen. (Es wird sein) der Abstieg(??) von den Neun Unterstützenden? Göttern für die ?.“  

Wie viele altertümliche Inschriften ist auch diese schwer zu lesen: etliche Zeichen sind ausgelöscht und die Bedeutung der verbliebenen Elemente ist nicht eindeutig.
Exakte historisch-wissenschaftliche Arbeit lässt keinen Raum für spekulative Theorien – und Faktenwissen über einen Weltuntergang liefert diese oft angeführte Inschrift auf keinen Fall. Calleman bezeichnet die Interpretation als
eine 'Glaubensfrage'.

Als Beweis für den Weltuntergang in wenigen Monaten eignet sich dergleichen jedenfalls nicht.

Wenn sich Fachleute ähnlich ernsthaft mit der Deutung solcher Inschriften befassen wie christliche Theologen mit dem Alten und Neuen Testament, dann geschehe dies in beiden Fällen aus einer Form von Glaubensüberzeugung heraus.
Auch die jüdisch-christlichen Schriften enthalten eschatologische und apokalyptische Zukunftsaussagen, die viele Menschen bis heute für glaubhaft erachten.

 

Wie kommt so eine Endzeit-These zustande?

Vor diesem Hintergrund vermitteln die Überlegungen Callemans einen exemplarischen Einblick, wie sich aus einem solchen Text in Verbindung mit profunden Kenntnissen des Mayakalenders ein Endzeitglauben konstruiert wird:

Kosmologie und Metaphysik der Maya sind im Wesentlichen holistisch angelegt - alles in der Schöpfung ist danach als miteinander verbunden. Maya-Gottheiten wurden insoweit nicht personalisiert und als Individuen wahrgenommen, sondern sie symbolisierten stattdessen eine kosmische Kraft, die mit einem Zeitraum verbunden war.

In seinem Aufsatz zeigt Calleman nun auf, weshalb für ihn die Beziehungen zwischen den Göttern der Maya ein Evolutionsmodell aufzeigen. Dadurch wird für ihn ein direkter Bezug zu unserer Realität hergestellt.

Sein Gedankengang ist recht komplex und lässt sich kaum in wenigen Worten skizzieren. So wie ich ihn verstehe, kann die betreffende Gottheit Bolon Yookte als Metapher für Kriege, Naturkatastrophen und sonstige negative Ereignisse aufgefasst werden. Die Vorhersage, wann diese Gottheit 'herabsteigt', weise dies - nach Calleman's These - auf den Zeitpunkt dieser Ereignisse hin.
Eine Theorie über die Bedeutung des Mayakalenders müsse auch langzeitige evolutionäre Prozesse erfassen können - über einen Zeitraum von bis zu 16,4 Milliarden erfassen können. Aus Angaben der Maya Zeitpunkte lasse sich nicht auf mögliche Ereignisse an einem einzigen Tag schließen, vielmehr seien diese auf umfassende Prozesse in einem weitaus größeren Kontext zu beziehen.

Das zumindest leuchtet mir ein: Kosmische bzw. Naturkatastrophen sind durchaus real, in der Erdgeschichte sind sie viele Male eingetreten. Unglaubhaft und schädlich werden Vorhersagen erst, wenn man vorgibt, ihren genauen Zeitpunkt zu kennen.

Statt dessen schlagt Calleman vor, ein evolutionäres Modell des Mayakalenders in Erwägung zu ziehen und die völlige Unvernünftigkeit derartiger Vorstellungen (alles passiert an einem Tag) aufzugeben. Die unbegründeten „Nur-ein-Tag“ -Vorstellungen verwirft er als pseudowissenschaftlich:

“…sie verwischen die Tatsache, dass es beim Endszenario des Mayakalenders tatsächlich um sozialwirtschaftliche Transformation geht, die aus dem Verlauf des Einflusses des menschlichen Bewusstseins resultiert."

Demzufolge gehe es um Mitgestaltung durch die Menschen - und nicht um das Bestaunen geologischer oder astronomischer Ereignisse, deren Beobachter wir lediglich sind.

Callemanns Ausführungen eignen sich jedenfalls dafür, den Befürworten eines Weltuntergangs mit Tagesangabe zu verdeutlichen, dass der Mayakalender und die vielzitierten Inschriften auch eine ganz andere Interpretation zulassen.-

Siehe auch:

Vergleichsweise sachlich-kritisch geht der SPIEGEL mit Schreckensprognosen um:

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